Influencer haben sich fest etabliert: Sie sind einflussreiche Persönlichkeiten, die vor allem durch soziale Medien bekannt sind und ihre Follower mit allerlei Content unterhalten – und damit zum Kaufen von Produkten animieren. Parallel dazu hat sich das Modell virtueller Influencer entwickelt. Diese machen im Prinzip genau dasselbe wie normale Influencer, nur dass sie komplett frei erfunden und zu 100 Prozent digital sind. Sie agieren auf Social Media wie reale Menschen und können auf treue Communities zählen, die vor allem aus jüngeren Nutzer:innen bestehen. Virtuelle Influencer eröffnen für Marken ganz neue Wege, sich zu präsentieren und Aufmerksamkeit zu generieren. Das bringt viele Vorteile mit sich – er birgt allerdings auch einige Risiken.
Virtuelle Influencer, auch virtuelle Personen oder virtuelle Modelle, sind computergenerierte fiktive Figuren, die für eine Vielzahl von Marketingzwecken verwendet werden können – am häufigsten jedoch für Social-Media-Marketing, anstelle menschlicher Influencer. Sie bestehen ausschließlich aus Algorithmen und Pixeln, haben aber in der Regel ein sehr realistisches menschliches Aussehen.
Sie leben ein Leben, das sie in sozialen Netzwerken teilen, interagieren mit ihren Follower-Communities und arbeiten mit Marken zusammen. Also identisch zu menschlichen Influencern, nur dass sie vollständig programmiert sind. Ihre Entwickler haben ihnen ein Image, eine Geschichte, Emotionen, eine Identität und ein tägliches Leben gegeben, das sie auf Social Media teilen.
Man sagt, dass virtuelle Influencer dreimal höhere Engagement-Raten erzielen als echte Influencer. Vorreiter waren hier Asien und die USA.
Lil Miquela ist 19 Jahre alt, wurde 2016 von Brud, einem kalifornischen Start-up, entwickelt und hat über drei Millionen Follower auf Instagram. Sie postet Selfies und Videos von ihrem täglichen Leben mit ihren anderen virtuellen Freunden oder sogar Menschen. Sie ist inzwischen ein beliebter Influencer für Marken und ihre Kampagnen.
Shudu.gram ist ein 28-jährige Model, das vom britischen Fotografen Cameron James Wilson geschaffen wurde. Sie hat über 200.000 Follower auf Instagram. Ihr Content beruht auf Fotos und Videos von Fotoshootings und Fashion Shows, die im Rahmen ihrer Partnerschaften mit Marken wie Balmain oder Fenty Beauty entstanden sind. Inzwischen wird sie von der Agentur The Diigitals verwaltet.
Noonoouri ist eine 19-jährige Französin, die mit den größten Luxusmarken zusammen arbeitet. Sie präsentiert ihren Followern auf Instagram regelmäßig die neuesten Stücke aus den Kollektionen der großen Modehäuser. Der chinesische eCommerce-Riese Ali Baba hat sie zur Botschafterin für seine virtuelle Luxusplattform gemacht. Noonoouri ist außerdem eine selbst ernannte Aktivistin und Veganerin.
Imma.gram ist eine japanische Influencerin, die bereits an Kampagnen für Ikea, Magnum und Porsche mitgewirkt und sogar ihre eigene Modekollektion mit Amazon Fashion entwickelt hat. Auf ihrem Instagram-Account beschreibt sie sich selbst als „ein virtuelles Mädchen (…), das sich für japanische Kultur, Film und Kunst interessiert“.
Hinter der Entwicklung virtueller Influencer stehen oft kleine Digital- und Kreativagenturen. Mit ihren Figuren konnten sie in den letzten Jahren eine Vielzahl an Fans gewinnen.
Marken haben die Möglichkeit, mit bestehenden virtuellen Influencern zusammenzuarbeiten oder ganz eigene virtuelle Charaktere zu kreieren. Nutzt eine Marke einen bestehenden Influencer, kann sie von der bereits vorhandenen Reichweite profitieren – und von der Beziehung, die der Avatar zu seinen Followern aufgebaut hat. Die Persönlichkeit markeneigener Influencer können hingegen vollständig auf die Markenwerte angepasst werden. Das betrifft das äußere Erscheinungsbild, aber auch die Wortsprache, Gesten, Umgebungen, Lebensweisen sowie die Themen und Inhalte, die der Charakter transportieren soll. Alle Inhalte folgen einem Skript und sind somit zu hundert Prozent Brand Safe. Das Erschaffen eines Marken-Avatars bedarf aber Kontinuität und eines großen Expertenteams.
Unternehmen kooperieren vermehrt mit virtuellen Influencern. In der Mode- und Kosmetik-Branche ist der Einsatz von virtuellen Influencern bereits etabliert. Große Marken wie Chanel, Dior oder Essence arbeiten entweder mit Avataren bzw. virtuellen Models zusammen oder haben sogar ihre eigenen fiktiven Charaktere erschaffen. Auch die Automobilindustrie, die Musik-Branche und Smartphone-Hersteller begeben sich nach und nach auf diesen neuen Weg des Influencer Marketings.
Eine Onlinebefragung der Mediaagentur OMD Germany beleuchtet die Wahrnehmung von virtuellen Influencern bei Konsument:innen in Deutschland, hierfür wurden 1.005 Menschen befragt. Davon sind 39 Prozent offen für virtuelle Influencer. Der Großteil von ihnen sieht keinen Unterschied in der Glaubwürdigkeit gegenüber realen Charakteren. Je älter, desto gleichgültiger ist es den Social Media-Nutzer:innen, ob sie mit einer digitalen oder realen Person interagieren. Während bei den 18-30-Jährigen noch 59 Prozent angeben, dass eine reale Person als Influencer glaubwürdiger sei als eine virtuelle Person, so sind es bei den über 30-Jährigen nur noch 39 Prozent. Bei jüngeren Zielgruppen ist der Wunsch nach echten Influencern größer. Die Analysten von OMD vermuten dahinter einen verstärkten Wunsch nach Orientierung und die Suche nach Identifikationspersonen.
Aktuell sind virtuelle Influencer vor allem in den USA, im asiatischen Raum und in Brasilien sehr beliebt. Aber auch in Deutschland können virtuelle Influencer für Marken eine spannende Alternative zu echten Influencern sein. Zwar stehen reale Influencer für Authentizität, aber virtuelle Influencer addieren etwas magisches und unterhaltsames hinzu – wie in einem Film oder Traum. Hier gilt es also abzuwägen, ob der virtuelle Influencer zur Zielsetzung passen. Und natürlich müssen auch hier die Kooperationspartner sehr sorgfältig ausgewählt werden. Die Persönlichkeit sollte zur Marke passen.
Virtuelle Influencer haben die Möglichkeit, jederzeit zu arbeiten, zu geringeren Kosten um die Welt zu reisen und vollständig kontrollierte Inhalte zu veröffentlichen. Das ist für Marken deutlich einfacher und zuverlässiger. Pose, Outfit und Location können je nach Anforderungen jederzeit angepasst werden. Eigene Avatare können zudem an die Reaktionen und Kommentare der Communities angepasst werden. So kann etwas geschaffen werden, das das Image des Unternehmens widerspiegelt und gleichzeitig die Erwartungen der Zielgruppen perfekt erfüllt. Fauxpas und Skandale passieren nicht; außerhalb der Kampagne oder Zusammenarbeit besteht nicht die Gefahr, dass einem virtuellen Influencer ein negatives Image anhaften könnte.
Außerdem können virtuelle Influencer einfacher kontrolliert werden. Die Marke hat gänzlichen Einfluss auf die Inszenierung ihres Produkts, die Bewertung und die Empfehlung, die der Influencer ausspricht. Kampagnen können jederzeit optimiert und angepasst werde, ohne dass die komplette Produktion wiederholt werden muss.
Zwar fehlt virtuellen Influencern Empfindungsvermögen, aber in der Regel haben die Follower trotz der Distanz keine Scheu, sich gegenüber dem Influencer zu öffnen oder ihre Meinung preiszugeben. Sie finden Gefallen an dem unechten Leben mit allen Geschichten und Facetten und wollen ein Teil des Ganzen sein.
Werden eigene Influencer entwickelt, können diese genau an die Werte des Unternehmens und die Zielgruppe angepasst werden. Durch diese zielgruppengenaue Ansprache und die neuen Möglichkeiten auf Social Media können mehr Kunden erreicht werden. Die Marke hat ein Gesicht, das sie repräsentiert und nicht noch für andere Marken wirbt, wie es oft bei echten Influencern der Fall ist.
Ein weiterer Vorteil ist, dass virtuelle Influencer noch recht neu sind. Sie sind ein Trend, der Aufmerksamkeit generiert. Das kommt vielen Unternehmen zugute. Virtuell lassen sich auch Kampagnen umsetzen, die im realen Leben sehr teuer wäre. Anreise, Unterkunft, Kostüm- und Maskenprofis, Fotografen, Designer und weitere mit realen Kampagnen verbundene Kosten entfallen.
Einer großer Kritikpunkt in Bezug auf Social Media ist oft die Tatsache, dass sich die Follower ständig mit den Influencern und der Perfektion des Lebens, das sich in ihren Veröffentlichungen widerspiegelt, vergleichen. Die Verwendung von Filtern und Avataren wird immer weiter verbreitet. Vielen ist zwar bewusst, dass Instagram-Stars nicht unbedingt das wahre Leben widerspiegeln. Einige Nutzer, vor allem jüngere, können jedoch nicht immer die Realität von der durch die Filter auferlegten Fiktion unterscheiden. Bei virtuellen Influencern wird diese Kluft noch größer, diese sind nämlich völlig frei erfunden und werden nach Kriterien erstellt, die von ihren Schöpfern ausgewählt werden und die sie nicht selten in ihrer schönsten Form erscheinen lassen. Für die junge Generation ist das ein weiter Berührungspunkt mit Normen, die weit von der Realität entfernt sind und die zu Komplexen führen und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen können.
Wenn Marken eigene virtuelle Influencer entwickeln, kann dies auch zu einem Mangel an Transparenz führen – da sie Inhalte selbst entwickeln. Dabei ist nicht immer einfach erkenntlich, wer hinter den Avataren steckt.
Hinter der Entwicklung virtueller Influencer steckt zudem ein enormer Zeitaufwand. Außerdem ist eine umfassende Vorausplanung erforderlich. Allein die Erstellung des Bildes für ein Posting nimmt oft mehrere Tage in Anspruch. Komplexere Formate, wie etwa animierte Geschichten, benötigen in der Umsetzung entsprechend noch mehr Vorlauf.
Auch die mangelnde Authentizität ist ein Nachteil: Warum sollten Follower den Empfehlungen und Erfahrungen einer künstlichen Persönlichkeit vertrauen, die nicht existiert? Gerade das Influencer Marketing lebt schließlich von einem stark ausgeprägten Vertrauensverhältnis zwischen der Leitfigur und ihrer Community. Entsprechend ist es auch eine große Herausforderung, emotionale Beziehungen aufzubauen.
Der Einsatz virtueller Influencer generiert Aufmerksamkeit, da es sich aktuell noch um ein neues Phänomen handelt, das noch nicht weit verbreitet ist. Wird es zur Normalität, kann dies bedeuten, dass der Hype auf lange Sicht wieder abflacht.
Insbesondere die Möglichkeit, einen digitalen Charakter exakt auf das eigene Markenprofil zuschneiden zu können, dürfte dafür sorgen, dass in Zukunft mehr virtuelle Influencer die sozialen Medien bevölkern. Aber: Auch das Verlangen nach mehr Menschlichkeit und Transparenz wird größer. Entsprechend ist nicht davon auszugehen, dass virtuelle Influencer den realen Influencern den Rang ablaufen.
https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/technologie/virtuelle-influencer/
https://www.omd.com/news/virtuelle-influencer-der-nachste-hype-im-influencer-marketing/
https://en.wikipedia.org/wiki/Virtual_influencer
https://www.kolsquare.com/de/blog/virtuelle-influencer-eine-modeerscheinung-oder-die-nahe-zukunft-des-influencer-marketings/#as-sind-virtuelle-Influencer
https://www.wertgarantie.de/ratgeber/technik-news/virtuelle-influencer-diese-stars-gibt-es-gar-nicht
https://www.marketing-boerse.de/fachartikel/details/2035-virtuelle-influencer–ein-neuer-grad-der-perfektion/170517
https://www.contentmanager.de/instagram/virtuelle-influencer-top-10-instagram-2021/
https://dmexco.com/de/stories/wie-virtuelle-influencer-im-digital-marketing-fuss-fassen/
https://www.quotenmeter.de/n/127816/virtuelle-influencer-heisser-trend-im-online-marketing