Unsere Arbeitswelt ist von vielen Veränderungen geprägt. Das Konzept New Work beschäftigt sich mit den Veränderungen durch die Digitalisierung und Globalisierung und stellt neue Arbeitsformen in den Vordergrund. Dazu gehört neben dem Home Office und Gleitzeit auch die 4-Tage-Woche. Die 4-Tage-Woche begegnet uns immer häufiger, sei es auf LinkedIn, in Branchen-News oder in den Nachrichten. Es gibt immer wieder Meldungen über Unternehmen, die die 4-Tage-Woche eingeführt haben. Dieses Konzept bringt viele Vorteile mit sich, die auch immer mehr Unternehmen sehen.
Die 4-Tage-Woche beschreibt ein neues Arbeitszeitmodell, bei dem die Wochenstunden, die bisher auf fünf Werktage verteilt waren, von Arbeitnehmer:innen auf vier Tage verteilt werden. Das Wochenpensum bleibt somit erhalten, es reduzieren sich lediglich die Arbeitstage, Mitarbeiter:innen haben bei gleicher Arbeitszeit mehr freie Tage. Ob sich bei einer Umstellung sogar die gesamte Stundenanzahl pro Woche verringert, kann der Arbeitgeber festlegen. Gehalt und Urlaubsanspruch bleiben gleich, wobei sich die tatsächlichen Urlaubstage jedoch verringern. Für Unternehmen soll sich durch die 4-Tage-Woche ebenfalls keine Veränderung ergeben. Denn letztlich sollen auch bei einer Reduzierung der Arbeitstage keine Einbußen bei den zu erzielenden Ergebnissen zeigen.
Das Arbeitszeitgesetz sieht in Deutschland eine reguläre Arbeitszeit von täglich acht Stunden vor. Allerdings gibt es die Möglichkeit, die tägliche Arbeitszeit auf zehn Stunden zu erweitern, wenn dafür an anderer Stelle mehr Freizeit gegeben wird. Das wäre im Rahmen einer 4-Tage-Woche möglich, weil dann z.B. neben dem Wochenende ein weiterer freier Tag besteht.
Die 4-Tage-Woche ist eine relativ neue Idee, die Ende der 2010er-Jahre in Startups, aber auch in großen Tech-Unternehmen diskutiert wurde. Es handelt sich also um keinen spontanen Trend. 2019 testete z.B. Microsoft in Japan ein entsprechendes Modell. Inzwischen haben viele weitere Unternehmen weltweit mit der 4-Tage-Woche experimentiert. Es gibt also nicht die eine Erfinderin oder den einen Erfinder des Modells, die Idee hat sich eher aus den verändernden Rahmenbedingungen für modernes Arbeiten entwickelt. Auch die Ansprüche von Arbeitnehmer:innen haben sich verändert: Für ältere Generationen waren vor allem das Gehalt und unbefristete Arbeitsverträge wichtig, die Generation Z legt mehr Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance.
Ein Vorteil ist die längere Erholungsphase der Mitarbeiter:innen. Allein die Aussicht sorgt in der Regel schon für einen großen Motivationsschub. Das Gefühl, mehr Freizeit zu haben, kann die Bereitschaft für Überstunden an den 4 Arbeitstagen pro Woche steigern. Die vorhandene Zeit wird produktiv genutzt, überflüssige Zeitfresser lassen sich oftmals streichen. Die Mitarbeiter der Vier-Tage-Woche bekommen mehr Zeit zum Ausschlafen, für Hobbys, längere Ausflüge, ehrenamtliche Tätigkeiten, Weiterbildungen oder gemeinsame Zeit mit der Familie.
Ein weiterer Vorteil ist, dass sich Termine wie Werkstatt, Behördengänge oder Arztbesuche auf den freien Tag verschieben lassen können. Dadurch fallen Mitarbeiter:innen an den übrigen vier Tagen nicht stundenlang aus und verpassen keine wichtigen Termine.
Das Modell wirkt sich natürlich auch attraktiv auf das Unternehmen aus. Die 4-Tage-Woche hat sich auf dem Arbeitsmarkt noch nicht durchgesetzt, deswegen ist es ein gutes Argument bei der Mitarbeiter-Suche. Besonders bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften kann dies ein entscheidendes Argument sein.
Man mag es auf den ersten Blick nicht denken, aber auch die Produktivität steigt. Mitarbeiter:innen haben mehr Zeit, um von der Arbeit Abstand zu gewinnen. Wenn sie wieder zurück in der Arbeit sind, haben sie mehr Energie und Motivation, um alle wichtigen Aufgaben zu erledigen. Zudem ist ihnen bewusst, dass sie für die wöchentlichen Aufgaben “nur” vier Tage Zeit haben. Dieser zusätzliche Zeitdruck wirkt sich hier positiv aus.
Wenn Mitarbeiter lange Arbeitswochen haben, sind sie in der Regel gestresster, schlafen schlechter und sind schneller erschöpft. Sie haben auch öfter gesundheitliche Beeinträchtigungen und werden sich öfter krank melden. Bei der 4-Tage-Woche lassen sich Krankheiten besser auskurieren oder sogar verhindern. Zudem haben die Mitarbeiter:innen bei der 4-Tage-Woche mehr Zeit, sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Sie können Zeit an der frischen Luft verbringen oder Sport treiben. Daher gibt es beim Umstieg auf das neue Arbeitszeitmodell weniger Krankmeldungen.
Will ein Unternehmen Zeit einsparen, um so die 4-Tage-Woche einhalten zu können, kann diese Zeit an der richtigen Stelle fehlen und sich zum Nachteil entwickeln. Ein Beispiel: Wenn die kurzen Gespräche zwischen den Kolleg:innen ausfallen müssen, kann sich das auf die gesamte Stimmung auswirken. Durch die Verlängerung der Arbeitszeit pro Arbeitstag kommt auf die Beschäftigten an diesen Tagen ein höherer Workload zu. Und sollte der fehlende Tag dazu führen, dass alle ihre Aufgaben nicht schaffen, sorgt das wiederum zu vielen Überstunden. Diese Überstunden bei der Vier-Tage-Woche können dann die Produktivität insgesamt bremsen, weil sich die Angestellten überfordert fühlen und auch an den freien Tagen geistig nicht abschalten.
Das Modell lässt sich zudem nicht in allen Branchen umsetzen. Wenn Unternehmen an jedem Werktag mit Personal präsent sein müssen, ist die Planung der verschiedenen Schichten umständlicher.
Einigen sich Unternehmen auf einen gemeinsamen freien Tag, fällt ein Tag weg, an dem Umsätze erzielt oder Verträge abgeschlossen werden können. Die Konkurrenz könnte diese 4 Arbeitstage pro Woche ausnutzen. Dem könnte man allerdings entgegenwirken, indem man die Arbeitstage auf die Woche verteilt. So könnte es manche Mitarbeiter geben, die Samstag, Sonntag und Montag frei haben, während andere Freitag, Samstag und Sonntag frei haben.
Auch für Startups ist die Umsetzung der 4-Tage-Woche deshalb eher schwierig. Besonders in der Startphase müssen Gründer:innen mit Service und Flexibilität beim Kunden punkten.
Die Vor- und Nachteile der 4-Tage-Woche verändern sich je nach Standpunkt und werden kontrovers diskutiert. Je nach Standpunkt argumentieren die Befürworter:innen, dass diese Verkürzung der Arbeitswoche die Beschäftigten produktiver macht. Gegner:innen betonen hingegen, dass die Arbeitsbelastung an den Arbeitstagen deutlich steigt.
Island hat seit 2015 in einem großen Experiment die Auswirkungen der verkürzten Wochenarbeitszeit genauer untersucht und dabei die 5-Tage-Woche mit der 40-Stunden-Woche abgeschafft. Der erste Testlauf umfasste bis zu 2.500 Arbeitnehmer:innen. Am zweiten Testlauf nahmen ab 2017 mehr als 400 Personen teil. Bedenkt man, dass in Island die gesamte arbeitende Bevölkerung bei etwa 200.000 Personen liegt, ist das eine recht große Zahl.
Die folgenden fünf Erkenntnisse der 4-Tage-Woche konnte Island im Vergleich zur 5-Tage-Woche ableiten:
– Die Leistung und Produktivität sind bei der 4-Tage-Woche konstant geblieben.
– Die Anzahl der Überstunden ist im Vergleich zur 5-Tage-Woche nicht übermäßig angestiegen.
– Eine Umstellung auf die 4-Tage-Woche ist nicht so aufwendig wie befürchtet.
– Die Angestellten waren ohne diese 40-Stunden-Woche insgesamt weniger krankgeschrieben.
– Durch die 4-Tage-Woche nutzten viele Angestellte ihre Freizeit sinnvoll, zum Beispiel mit Sport.
Insgesamt zeigt sich also eine positive Entwicklung durch die 4-Tage-Woche, weshalb die Ergebnisse nun weiter ausgewertet werden – mit dem Ziel, möglicherweise zukünftig die Abläufe komplett umzustellen und die 5-Tage-Woche in Island abzuschaffen.
Seit Mitte Juni 2022 testen auch in Großbritannien rund 70 Unternehmen mit rund 3.300 Arbeitnehmer:innen die Vier-Tage-Woche – bei vollem Gehalt. Ziel ist es herauszufinden, welche Auswirkungen ein freier Tag mehr pro Woche für die Arbeitnehmer:innen hat und inwieweit sich möglicherweise die Produktivität der Firmen verändert. Die Studie läuft noch bis Dezember.
Laut einer ersten Zwischenbilanz hat die Arbeitszeit von vier Tagen pro Woche auch in Großbritannien keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität. In einigen Fällen wurde sogar eine deutliche Verbesserung festgestellt: Mitarbeiter:innen haben demnach mehr Zeit für Sport, Kochen, Hobbys und Zeit mit der Familie. Das steigere das Wohlbefinden und mache sie energiegeladener und produktiver.
In mehreren Ländern der Welt, etwa Irland, USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Israel laufen derzeit ähnliche Tests wie in Großbritannien.
In Belgien dürfen Mitarbeiter:innen entscheiden, ob sie eine 40 Wochenstunden in fünf oder vier Tagen ableisten wollen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, wie es derzeit in Großbritannien getestet wird. Auch Spanien macht den ersten Schritt. Dort soll die Vier-Tage-Woche als Modellprojekt für ein Jahr eingeführt werden. Dafür arbeiten dann etwa 6.000 Mitarbeiter aus 200 hauptsächlich mittleren und kleineren Unternehmen einen Tag pro Woche weniger und bekommen dabei ihr volles Gehalt.
Die gängigste Möglichkeit, in Deutschland eine 4-Tage-Woche zu erreichen, ist das Teilzeitmodell für Arbeitnehmer:innen. Dabei reduziert sich die Arbeitszeit auf 80 % – somit aber auch in der Regel das Gehalt. Darüber hinaus ist durch die Einführung des Modells allein nicht gewährleistet, dass sich die Arbeitszeit auf vier statt fünf Tage verteilt. Dies muss vorab mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.
Das Modell der 4-Tage-Woche im Vergleich zur 5-Tage-Woche stößt aber auch in hier auf immer mehr Interesse. In einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Toluna wurde deutlich, dass mehr als die Hälfte der Befragten auch finanzielle Einbußen für eine reduzierte Arbeitszeit in Kauf nehmen würde. Das in Belgien eingeführte Modell der flexiblen 4- oder 5-Tage Woche stieß bei einer Meinungsumfrage von Forsa Anfang 2022 ebenfalls auf viel Zustimmung: 73% der Befragten befürworteten die 4-Tage Arbeitswoche bei gleicher Arbeitszeit.
Besonders ausgeprägt ist dieser Wunsch auf Teilzeit mit 86% in der Industrie, wo jede:r Vierte dafür auch Einbußen beim Lohn in Kauf nehmen würde. Sehr stark ist die Zustimmung bei Arbeitnehmer:innen, die jünger als 40 Jahre sind. 83% der Befragten in dieser Altersgruppe stehen einer Vier-Tage-Woche positiv gegenüber – 17% würden sich auch mit finanziellen Einbußen arrangieren. 51% würden ein Angebot, in Teilzeit zu arbeiten, annehmen.
Die 4-Tage-Woche ist praktisch und kann unter bestimmten Voraussetzungen die Produktivität steigern – ist allerdings nicht für jede Branche umsetzbar. Es ist sinnvoll, die Ausgangslage genau zu analysieren. Eine mögliche Testphase kann zeigen, ob alle Kolleg:innen mit der 4-Tage-Woche produktiver arbeiten können.
Wichtig für Unternehmen sind letztlich aber zufriedene Mitarbeiter:innen. Und ob diese regulär in Voll-, Teil- oder Gleitzeit, in hybriden Teams oder in einer 4-Tage-Woche arbeiten, spielt dann eine nebengeordnete Rolle. Letztlich hängt die Zufriedenheit vor allem von der Firmenkultur ab und nicht allein von der Anzahl der Arbeitstage pro Woche.
https://t3n.de/news/vier-tage-woche-groesstes-experiment-zwischenfazit-1501135/
https://www.computerfutures.com/de-de/blog/2022/03/die-4-tage-woche-ein-konzept-mit-zukunft/
https://www.gruender.de/hr-office/4-tage-woche-vs-5-tage-woche/
https://asana.com/de/resources/4-day-work-week
https://www.capital.de/karriere/deutschlands-beschaeftigte-wollen-die-vier-tage-woche-32764012.html
https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/vier-tage-woche-in-deutschland-die-sehnsucht-nach-freizeit-18344379.html